Wohnkultur in der Dresdner Friedrichstadt

Seit September 2019 bietet die Stadt Dresden ein Grundstück im Stadtteil Friedrichstadt zum Verkauf an. Es ist ein Novum in der jüngeren Geschichte der Stadtentwicklung, dass dieses Angebot sich nicht dem Investitionsmarkt, sondern dem gemeinschaftlichen, sozialen Wohnen verpflichten soll. Explizit werden dabei auch Projekte des Mietshäuser Syndikates einbezogen. Auf dem 1330 qm großen Grundstück in der Vorwerkstraße sollen zwei Wohnhäuser mitten in der Stadt entstehen, die ökologische und barrierearme Kriterien erfüllen. Mit dem Wohnkultur e.V. haben wir uns auf die Ausschreibung mit folgendem Konzept beworben:


NUTZUNGSKONZEPT VORWERKSTRASSE


UNSERE ZIELE

Wohnkultur ist unser Name für ein gemeinschaftliches Mietwohnprojekt, das weit über die Verbindlichkeiten und Planungshorizonte einer normalen Baugemeinschaft hinausgeht. Diese Merkmale zeichnen unser Konzept aus:

Gemeinschaft leben

Gemeinschaft leben Dank innovativer Grundriss- und Freiflächenplanung schaffen wir barrierearme Orte, an denen die Bewohnenden über die Kernfamilie hinaus gemeinsam leben können. Mit einem Mix aus Sozialwohnungen und Clusterwohnungen, Gemeinschaftsflächen innen und außen, erproben wir das „Wohnen der Zukunft“ als Alternative zum anonymen Großstadt-Mietshaus.

Mietraum für jeden Geldbeutel

Wir bauen Mietwohnungen und unterscheiden uns damit grundsätzlich von einer WEG mit Privatfinanzierung oder Genossenschaft mit Pflichtanteilen. Wie viel Geld und Kompetenzen jede:r mitbringt, ist für die Beteiligung an unserer Baugemeinschaft nicht entscheidend. Damit halten wir die Einstiegshürde niedrig und können auf das Förderprogramm „gebundener Mietwohnraum“ (RL gMW) zugreifen. Eine renditebasierte Mieterhöhung ist ausgeschlossen.

Resilienz für alle Generationen

Unser Wohnprojekt ist ein Gegenentwurf zur zunehmenden Segregation der Altersgruppen in deutschen Großstädten. Gerade in Krisenzeiten, wie die Corona-Pandemie zeigt, hilft die nachbarschaftliche Unterstützung im Alltag vor allem den Risikogruppen. Unsere Baugruppe besteht derzeit aus 31 Personen im Alter von 1 bis 76 Jahren, mit und ohne Beeinträchtigungen. Zukünftig schaffen wir familienfreundlichen und seniorengerechten Wohnraum für bis zu 40 Menschen von Jung bis Alt.

Häuser dauerhaft im Besitz der Mietenden

Eigentümerin der Gebäude wird eine GmbH. Deren Hauptgesellschafter ist unser Hausverein Wohnkultur e. V. Die jeweils aktuell Mietenden stellen die Mitglieder des Vereins. Unser Projekt ist Teil eines deutschlandweiten Verbunds aus 154 selbstorganisierten Mietshäusern. Das Finanzierungsmodell basiert auf 30 Jahren Erfahrung. Unsere Weiterveräußerungssperre gilt für immer!

Begegnungsort für Nachbarschaft

Im EG des Vorderhauses planen wir eine barrierefreie Gewerbeeinheit, welche vom Kulturverein Vorwerkstraße i. G. angemietet und bespielt werden wird. Auf über 100 m2 Fläche entsteht das Stadtteilcafé „El Friede“ mit barrierefreier Küche, Toilette und Beratungsräumen für die Nachbarschaft. Diverse lokale Akteure haben bereits ihr Interesse angemeldet. So leisten wir unseren Beitrag zur Stadt der kurzen Wege.

Ressourcenschonendes Bauen und Bewirtschaften

Wir sehen uns den Klimaschutzzielen der Stadt Dresden verpflichtet und wollen durch folgende Maßnahmen Ressourcen schonen: Für das Hinterhaus in Holzrahmenbauweise verarbeiten wir große Mengen an Vollholz und schaffen so einen Kohlenstoffspeicher. Die Energieversorgung beider Häuser erfolgt über das Fernwärmenetz der DREWAG und PV-Anlagen. Nachhaltige Mobilitätskonzepte machen das eigene Auto überflüssig.



BAUVORHABEN

Der Dresdner Wohnungsmarkt ist seit Jahren angespannt. Wir wollen möglichst viel bedarfsgerechten und flexibel nutzbaren Mietwohnraum schaffen. Inklusiv und altersgerecht. Bezahlbar und dauerhaft. Für uns und alle zukünftigen Generationen der Vorwerkstraße 24.

Grundflächenzahl (GRZ) …………… 0,295
Wohnfläche ……………………………… >1000 m²
Personen …………………………………. 35 bis 40
Geschossflächenzahl (GFZ) ………. 1,359

Vorder- und Hinterhaus

Auf dem Grundstück der Vorwerkstraße 24 bauen wir insgesamt über 1.000 m² vermietbare Wohn- und Gewerbefläche, verteilt auf ein fünfgeschossiges Vorderhaus mit Dachgeschoss in Blockrandbebauung und ein dreigeschossiges Punkthaus im Blockinneren unter Einhaltung der Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken.

Über 50% Sozialwohnungen

Wir beantragen für mehrere Wohneinheiten die Aufnahme in das Förderprogramm „gebundener Mietwohnraum“ (RL gMW). Dank des Zuschusses der SAB könnten wir diese Wohnungen zu vergünstigten Mieten an Menschen mit kleinem Geldbeutel vermieten. Für 2 WE beantragen wir Zuschüsse bei Aktion Mensch, um diese an Menschen im Rollstuhl vermieten zu können. Zum Vergleich haben wir unsere Finanzierung in 2 Varianten, mit und ohne Fördermittel, gerechnet.

Clusterwohnung im Hinterhaus

Im Hinterhaus entsteht neben zwei geförderten WE eine über 200 m² große Clusterwohnung, die sich über alle 3 Etagen erstreckt. Die große Gemeinschaftsküche im EG orientiert sich bewusst zum gemeinsamen Innenhof. Clusterwohnen ist unter anderem durch die hohe Flexibilität des genutzten Wohnraums ein innovatives Lebenskonzept gerade für Singles, ältere Menschen oder Alleinerziehende.

Barrierefreiheit für inklusives Wohnen

Im Vorderhaus sind in mehreren Etagen Verkehrsflächen, Bäder und Küchen sowie eine Rollstuhl-WE in der 3. Etage barrierefrei. Alle Etagen sind über einen Fahrstuhl verbunden. So können sich alle Mietenden – ob mit oder Handicap – gegenseitig besuchen. Im 1. OG steht eine große Gemeinschaftsküche mit Balkon allen Bewohnenden offen. Im EG des Hinterhauses sind zwei WE seniorengerecht und darüber hinaus eine davon barrierefrei.

Gewerbliche Nutzung im Erdgeschoss

Das Stadtteilcafé „El Friede“ im Erdgeschoss bietet barrierefreien Raum für nachbarschaftliche Projekte und Initiativen. Dank der seniorenfreundlichen und barrierearmen Ausstattung, gefördert durch Aktion Mensch, können wir die Vereinsräume zukünftig allen gesellschaftlichen Gruppen zur Nutzung anbieten.

Gemeinschaftshof als Treffpunkt

Eine Durchfahrt im EG des Vorderhauses dient der Erschließung des gepflasterten Gemeinschaftshofs und als Fluchtund Rettungsweg. Balkone und Fenster der Wohnküchen beider Gebäude orientieren sich zum Innenhof – dem zentralen Treffpunkt des Wohnprojektes. Die Gemeinschaftsküchen haben direkte Hofzugänge. So fördert die Architektur den sozialen Austausch.

Mobilitätsangebote vor Ort

Im Hof befinden sich freistehende Bügel und ein Bike-Port mit Leichtgründach für insgesamt über 50 Fahrräder; außerdem Stellplätze für gemeinschaftlich genutzte Lastenräder, 2 barrierefreie Parkplätze. Die gute Anbindung an den ÖPNV reduziert den Stellplatzbedarf auf ein Minimum.

Nachbarschaftsgarten mit Spielplatz

Westlich des Hinterhauses schließen sich 500 m2 Gemeinschaftsgarten an. Wir suchen den persönlichen Kontakt zu den Mietenden der Nachbarhäuser und wollen unseren Garten mitsamt dem geplanten Spielplatz zu den angrenzenden Grundstücken öffnen. Der Garten bietet Raum für urbanes Gärtnern, naturpädagogische Projekte und nachbarschaftlichen Austausch.

Naturschutz am Haus

Um bedrohten Fledermaus- und Vogelarten (Mauersegler, Hausrotschwanz, Haussperling) zu helfen, erarbeiten wir mit dem NABU ein Konzept für fassaden-integrierte Brutkästen. Um die florale Artenvielfalt in der Stadt zu erhalten, gestalten wir den Garten und begrünen die Flachdächer. Wir planen Wildpflanzenpatenschaften im Rahmen des Projektes „Urbanität und Vielfalt“.



RECHTSMODELL

Ein Gemeinschaftsprojekt dieser Größe zu organisieren bedarf klarer Strukturen und Regeln. Die persönliche Haftung und Verantwortungen müssen geklärt, die Finanzierung gesichert sein. Wir bauen auf professionelle Partner und jahrzehntelange Erfahrung aus anderen Mietwohnprojekten.

Hausbesitz-GmbH und Hausverein

Bauherrin und Eigentümerin der Gebäude wird die bereits gegründete Kostenmiete4werk GmbH sein. Hauptgesellschafter dieser Hausbesitz-GmbH ist unser Hausverein Wohnkultur e. V., welchen wir am 31.07.2018 gegründet haben.

Selbstverwaltung und partizipative Planung

Die jeweils aktuell Mietenden der Wohn- und Gewerberäume in der Vorwerkstraße 24 stellen die Mitglieder des Hausvereins. So können sie ihre Interessen demokratisch miteinander abstimmen, Investitionen gemeinsam leisten und die Gebäude fortwährend eigenverantwortlich bewirtschaften und verwalten. Alle Mitwirkenden identifizieren sich mit dem Projekt, da sie gleichzeitig Mietende und Vermietende sind.

Nachhaltige Projektsicherung

Wohnkultur e. V. ist Mitglied im bundesweiten Mietshäuser Syndikat. Der genossenschaftsähnliche Verbund wurde 1992 in Freiburg mit dem Ziel gegründet, Immobilien dauerhaft dem spekulativen Markt zu entziehen und stabile Mieten zu sichern. Um diese Sicherheit zu gewährleisten, wird das Mietshäuser Syndikat, wie bei allen Hausprojekten im Verbund, Nebengesellschafter jeder neuen Hausbesitz-GmbH.

Verkauf und Umwidmung ausgeschlossen

Die Mitbestimmung des Dachverbandes beschränkt sich jedoch auf ein Vetorecht bei etwaigen Verkaufs- oder Umwidmungsabsichten der Mietenden. Im Gegenzug bietet der Verbund während der gesamten Planungs- und Bauphase Beratung und Expertise aus knapp 30 Jahren Immobilien wirtschaft und aktuell 171 Einzelprojekten.

Professionelle Partner

Aus dem Verbund des Mietshäuser Syndikats beraten uns die Dresdner Hausprojekte Weinberg 21 GmbH und B63 GmbH. Die architektonische Planung übernimmt das Büro Reiter Architekten GmbH. Für Fragen zu Gruppenprozessen und Finanzierungsplanung berät uns die Agentur Wohnprojektor UG aus Weimar. Die Bank an unserer Seite ist die GLS Gemeinschaftsbank eG, die seit über 40 Jahren Wohnprojekte finanziert.


ZEITPLAN

Seit dem Tag des Grundstückskaufs, dem 28.01.2022 sind alle Fachplaner:innen vertraglich gebunden und die Planungsaufgaben verteilt, um zügig mit dem Bau zu starten. Wir rechnen mit maximal 12 Monaten Planungszeit und anschließenden 18 Monaten Bauzeit, bis die beiden Häuser bezugsfertig sind.



FINANZIERUNG

Die Finanzierung unseres Wohnprojektes erfolgt ebenfalls nach dem Modell des Mietshäuser Syndikats. Sie steht auf drei Säulen: Eigenkapital über Nachrangdarlehen, Kooperation mit der GLS Gemeinschaftsbank eG und Förderprogramme der KfW, SAB und Aktion Mensch.

Eigenkapital durch Nachrangdarlehen

Wie jeder Investor muss unsere Hausbesitz-GmbH gegenüber den finanzierenden Banken mindestens 20 % Eigenmittel nachweisen. Diese Eigenmittel werden nach dem Modell des Mietshäuser Syndikats über Nachrangdarlehen, sogenannte Direktkredite, eingeworben. Diese Geldbeträge werden dem Projekt ohne Umweg über die Bank direkt geliehen, i.d.R. von privaten Kreditgebenden.

Soziale Geldanlagen

Unsere Nachrangdarlehen bieten Freund:innen, Sponsor:innen und den zukünftigen Mietenden selbst eine sinnvolle, soziale und nachhaltige Geldanlage. Zinssatz und Laufzeit werden individuell festgelegt. Nachrangdarlehen nach den Vorgaben des Mietshäuser Syndikats werden von der GLS Bank als Eigenkapitalersatz anerkannt. Als Sicherheit spart die GmbH 2 % Tilgungsrate auf alle Nachrangdarlehen als zusätzliche Rücklage an.

20 % Eigenmittel

Wir rechnen mit min. 20 % Eigenkapital. Je mehr private Nachrangdarlehen wir einwerben, desto geringer fallen die Bankdarlehen und damit die spätere Miete aus. Die Grafik zeigt die Gesamtinvestition unseres Wohnprojektes (4,13 Mio. €) und den angestrebtenVerbindlichkeitsspiegel, A mit und B ohne die Förderprogramme „gebundener Mietwohnraum“ der SAB und „Investitionsförderung für Barrierefreiheit“ sowie „Projektförderung neue Wohnformen” der Aktion Mensch.

80 % Fremdmittel

Laut unserem Finanzierungsplan werden wir maximal 80 % der Investitionen über konventionelle Bankkredite decken. Bei Aufnahme in die o.g. Förderprogramme erhalten wir Baukostenzuschüsse über insg. 706.000 € (Abb. A). Dies entspricht 17 % der Gesamtinvestition. Die verbleibende Finanzierungslücke wird über KfW-Programme und die Hausbank geschlossen.

Finanzierung der Kaufpreissumme

Bisher haben wir schriftliche Absichtserklärungen über insgesamt 450.000,- € Nachrangdarlehen aus unserem engen Bekanntenkreis. Bei Erteilung des Zuschlags werden wir die vorbereiteten privaten Darlehensverträge abschließen und den Kaufpreis inkl. Kaufnebenkosten über Eigenmittel finanzieren. Bis zum Baubeginn haben wir genug Zeit, um den vollen Eigenanteil an der Gesamtfinanzierung einzuwerben.

Unterschied zu WEG und Genossenschaft

Das erprobte Finanzierungsmodell des Mietshäuser Syndikats erlaubt im Gegensatz zu einer WEG oder Genossenschaft die Entkopplung von Wohnrecht und finanzieller Beteiligung. Die Investition privaten Eigenkapitals ist nicht zwingend erforderlich, um Mitglied unseres Hausvereins zu werden und die eigene Mietwohnung mit zu planen. Damit haben wir die niedrigste Einstiegshürde aller möglichen Rechtsmodelle für Baugemeinschaften und schaffen echten Mietraum, für uns und zukünftige Generationen.